In der rauhen-aber-herzlichen Tradition von Filmen wie Brassed Off und Ganz oder gar nicht stehend, ist Billy Elliot der erste Kinofilm des viel gerühmten britischen Theaterregisseurs Stephen Daldry. Der Film spielt 1984 in County Durham und dort, im hohen Norden, ist das Leben zu dieser Zeit härter als gewohnt: Der Bergarbeiterstreik befindet sich auf seinem Höhepunkt, Vater und Bruder des elf Jahre alten Billy halten sich standhaft als Streikposten. Billy hat unterdessen eigene Probleme. Sein Vater kratzt wöchentlich das Geld für Billys Boxstunden zusammen, aber dieser hat eine ganz andere Begabung in sich entdeckt: Er ist ein viel versprechender Balletttänzer. Weil er jedoch in einer wilden Macho-Umgebung lebt, behält Billie seine Leidenschaft für sich. Denn würde er zu Hause seine Aktivitäten öffentlich zugeben, wäre das genau so, als würde er ein Schild mit der Aufschrift "ICH BIN STOCKSCHWUL" vor sich her tragen. Doch seine Lehrerin, Mrs. Wilkinson (Julie Walters), möchte, dass Billy für ein Stipendium an der Londoner Ballettschule vortanzt. Familienprobleme sind vorprogrammiert.
Daldrys Film spricht auch politische und sexuelle Themen an, aber das beste an Billy Elliot sind die lakonischen Dialoge (Drehbuchautor Lee Hall hat eine tolle Arbeit abgeliefert) und die großartige Vorstellung von Newcomer Jamie Bell in der Titelrolle. Seine Tanzperformances (eher ein Gene Kelly als ein Nureyev) transportieren ein unwiderstehliches Hochgefühl der Selbstentdeckung. Aus der makellosen Nebenbesetzung sticht allen voran Stuart Wells als Billys niedlicher schwuler Freund Michael hervor. Der Bergarbeiterstreik, der in weiten Teilen des Films die Hintergrundkulisse bildet, ist eine der grässlichsten Episoden der jüngeren britischen Geschichte. Dem wird vor allem in einer kurzen Sequenz Rechnung getragen, in der helm- und schlagstockbewehrte Polizisten einige Streikende durch die beengten Häuser des beschaulichen Städtchens hetzen. --Philip Kemp